Einleitung: Vom Forschungsvorhaben zum Meilenstein
Am 15. August 2025 markiere ich einen persönlichen Wendepunkt in meiner akademischen und unternehmerischen Laufbahn: Die Einreichung meines qualitativen Papers zu meinem Doctorate in Business Administration (DBA) bei einem Top-Tier Journal. Dieses Paper ist mehr als eine wissenschaftliche Arbeit. Es ist ein verdichteter Einblick in die gelebte Realität der Unternehmensnachfolge – erzählt aus der Perspektive von Unternehmern, Erben und externen Nachfolgern.
Es sind Geschichten von Mut, Konflikt, Loyalität, und nicht zuletzt von Wandel. Geschichten, die selten in den nüchternen Tabellen und Statistiken vorkommen, die jedoch maßgeblich bestimmen, ob eine Nachfolge gelingt oder scheitert.
Hintergrund: Warum externe Nachfolge im Mittelstand ein kritisches Forschungsthema ist
Die Relevanz des Themas für Deutschland
Der deutsche Mittelstand ist das Rückgrat der Wirtschaft. Rund 90 % aller Unternehmen gehören in diese Kategorie, und viele davon sind familiengeführt. Mit der demografischen Entwicklung und den steigenden Anforderungen an unternehmerische Führung stehen immer mehr Unternehmen vor der Herausforderung, geeignete Nachfolger zu finden.
Die interne Familiennachfolge ist längst nicht mehr selbstverständlich. Studien zeigen, dass in über 50 % der Fälle keine passende familieninterne Lösung verfügbar ist. In diesen Situationen wird die externe Nachfolge zur strategischen Notwendigkeit – und gleichzeitig zu einer hochsensiblen Phase im Unternehmenszyklus.
Forschungslücke und Praxisbedarf
Während interne Nachfolge in der Forschung vergleichsweise gut beleuchtet ist, bleibt die externe Unternehmensnachfolge in familiengeführten Mittelstandsunternehmen unter erforscht. Viele Fragen sind offen:
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Welche Faktoren entscheiden, ob externe Nachfolger akzeptiert werden?
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Wie beeinflussen bestehende Werte und Unternehmenskultur den Integrationsprozess?
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Welche Rolle spielen Governance-Strukturen in dieser Übergangsphase?
Mein Forschungsansatz versucht, diese Lücken zu schließen – mit einem besonderen Fokus auf die Schnittstelle zwischen Theorie und gelebter Praxis.
Methodik: Qualitative Tiefe statt oberflächlicher Zahlen
Warum qualitative Forschung?
Quantitative Studien liefern breite, statistisch belastbare Aussagen. Doch sie blenden oft die Geschichten, Emotionen und zwischenmenschlichen Dynamiken aus, die gerade in der Unternehmensnachfolge entscheidend sind.
Mit meinem qualitativen Ansatz konnte ich tiefer blicken:
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Interviews mit Unternehmern, die ihre Nachfolge bereits vollzogen haben
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Gespräche mit Erben, die Verantwortung abgegeben oder übernommen haben
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Perspektiven externer Manager, die in bestehende Familienunternehmen eingetreten sind
Aufbau des Forschungsdesigns
Die Forschung basiert auf einem mehrstufigen Ansatz:
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Sampling: Auswahl von Familienunternehmen aus dem produzierenden Mittelstand in Deutschland, die eine externe Nachfolge vollzogen haben.
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Datenerhebung: Leitfadeninterviews mit 179 Akteuren, geführt zwischen 2022 und 2024.
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Auswertung: Kodierung und thematische Analyse nach einem iterativen, abductiven Ansatz, gestützt auf Theorien wie Agency Theory, Stewardship Theory, Socioemotional Wealth (SEW) und Resource-Based View (RBV).
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Validierung: Member-Checking mit Interviewpartnern, um Interpretationen abzugleichen.
Zentrale Erkenntnisse: Muster, die den Unterschied machen
1. Die Bedeutung von Narrativen
Unternehmen leben von Geschichten. Ob eine externe Nachfolge gelingt, hängt stark davon ab, wie diese in die bestehende Unternehmensnarration integriert wird.
Beispiel: In einem Maschinenbauunternehmen wurde der neue externe CEO konsequent als „Weiterführer der Familientradition“ präsentiert, nicht als „Bruch mit der Vergangenheit“.
2. Relationales Vertrauen als Eintrittskarte
Akzeptanz wird nicht durch Kompetenz allein erreicht, sondern durch gelebtes Vertrauen. Dieses entsteht vor allem durch frühe, transparente Kommunikation und eine gemeinsame Sprache zwischen Familie und Externem.
3. Die Rolle institutioneller Strukturen
Familienräte, Beiräte und klare Governance-Regeln reduzieren Konfliktpotenzial. Unternehmen, die diese Strukturen vor der Übergabe etablieren, berichten von signifikant weniger Reibungen in der Anfangsphase.
4. Zeit als kritischer Faktor
Erfolgreiche Übergaben dauern in der Regel länger als geplant. Unternehmen, die genügend Zeit für den Rollenwechsel einplanen, verzeichnen nachhaltigere Erfolge – sowohl wirtschaftlich als auch kulturell.
Praktische Implikationen für Unternehmer
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Frühzeitige Vorbereitung: Starten Sie den Nachfolgeprozess mindestens fünf Jahre vor geplanter Übergabe.
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Werte sichtbar machen: Dokumentieren Sie Unternehmenswerte und binden Sie diese aktiv in die Nachfolgeplanung ein.
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Governance stärken: Etablieren Sie Beiräte oder externe Sparringspartner.
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Rollen klar definieren: Vermeiden Sie Überschneidungen zwischen abgebender und neuer Führung.
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Kommunikation priorisieren: Erzählen Sie eine konsistente, motivierende Geschichte über die Zukunft des Unternehmens.
Beitrag zur Forschung: Theoretische Fundierung und Ausblick
Mein Paper verknüpft theoretische Modelle wie Agency und Stewardship Theory mit dem Konzept der ökologischen Sukzession aus der Organisationsökologie. Dieses Modell – das Multi-Level Succession Transformation Model (MSTM) – bietet einen Rahmen, um externe Nachfolgeprozesse in fünf klaren Phasen zu strukturieren.
Diese Verbindung aus Theorie und Praxis soll nicht nur wissenschaftlich überzeugen, sondern auch unmittelbar handlungsleitend für Unternehmer und Berater sein.
Persönlicher Ausblick
Die Einreichung am 15. August ist nicht das Ende, sondern ein Etappenziel. Die nächsten Schritte umfassen die Review-Phase, mögliche Revisionen und die Integration der Ergebnisse in weitere Forschungsvorhaben.
Für mich bleibt entscheidend, dass Forschung nicht im Elfenbeinturm endet. Sie muss in die Praxis zurückfließen – zu den Unternehmern, die vor der vielleicht größten Entscheidung ihres Berufslebens stehen.
Fazit und Handlungsaufruf
Externe Nachfolge im Mittelstand ist kein Randthema. Sie ist ein zentrales Element, um Arbeitsplätze, Innovationskraft und Unternehmenswerte über Generationen hinweg zu sichern.
Meine Einladung:
Teilen Sie Ihre Erfahrungen, Fragen und Perspektiven. Nur durch den Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis können wir dieses Feld so gestalten, dass es Unternehmen und Gesellschaft gleichermaßen stärkt.