Transformation ist kein Modewort – sie ist Realität. Familienunternehmen spüren den Druck des Wandels besonders stark: Technologische Veränderungen, Fachkräftemangel, Generationenwechsel und volatile Märkte verlangen nach Anpassung. Doch gerade in inhabergeführten Unternehmen halten sich Mythen, die den Wandel ausbremsen oder gar verhindern.
Basierend auf meiner beruflichen Praxis als Transformationsberater, Interimsmanager und auf den Erkenntnissen meiner wissenschaftlichen Forschung an der Henley Business School räume ich mit den häufigsten Irrtümern auf – und liefere konkrete Impulse, wie Sie Transformation in Ihrem Unternehmen wirksam gestalten können.

1. Missverständnis: Transformation ist ein Projekt – und hat ein klares Ende

Beispiel aus der Praxis:
Ein Maschinenbauunternehmen in dritter Generation beauftragte mich als externen CRO mit der Begleitung eines Turnarounds. Die Gesellschafter erwarteten nach 12 Monaten einen “abgeschlossenen Wandel”. Doch bereits nach sechs Monaten wurde klar: Die Einführung eines neuen ERP-Systems, der Umbau der Vertriebsstruktur und die kulturelle Neuausrichtung erforderten nicht nur Zeit, sondern auch kontinuierliches Lernen. Der Transformationsprozess ging weit über das initiale Projekt hinaus – und wurde schließlich als “lernende Organisation” fest in der Unternehmensstrategie verankert.

Erkenntnis:
Transformation ist kein Ziel, sondern ein Prozess. Wer sie als Projekt definiert, verpasst die Chance, Wandlungsfähigkeit langfristig im Unternehmen zu verankern.

Instrument:
Transformation Canvas – Entwickeln Sie ein kontinuierliches Transformationsmodell mit klaren Meilensteinen, Lernzielen und Feedbackschleifen. Nutzen Sie OKRs (Objectives & Key Results) zur agilen Steuerung und machen Sie Transformation zum festen Bestandteil Ihrer Führungsarbeit.

2. Missverständnis: Die nächste Generation bringt automatisch die nötige Innovationskraft mit

Beispiel aus der Praxis:
In einem Familienunternehmen im Bereich Medizintechnik übernahm der Sohn des Gründers die Geschäftsführung. Die Hoffnung war groß: Digitalisierung, neue Märkte, frischer Wind. Doch nach zwei Jahren war die Innovationsbilanz ernüchternd. Die Ursachen? Fehlende Entscheidungsfreiheit, Überkontrolle des Seniors und keine systematische Innovationsstruktur. Die junge Generation hatte Potenzial – aber keine Werkzeuge, um dieses zu entfalten.

Erkenntnis:
Innovation ist kein Automatismus. Sie entsteht nicht durch das Alter, sondern durch Struktur, Vertrauen und Freiräume.

Instrument:
Innovations-Governance – Etablieren Sie einen klaren Rahmen für Innovationsarbeit: mit einem Budget, einer Innovationsstrategie, einem interdisziplinären Team und einem Schutzraum für Pilotprojekte. Binden Sie die Seniorgeneration aktiv als Mentor ein – aber nicht als Controller.

3. Missverständnis: Externe Manager verstehen unser Familienunternehmen nicht

Beispiel aus der Forschung & Beratung:
In einem Nachfolgeprozess wurde ich gebeten, als externer Interimsmanager ein produzierendes Familienunternehmen zu stabilisieren. Die Skepsis war groß: „Ein Externer kann unsere Kultur nicht verstehen“. Durch gezielte Vertrauensbildung, transparente Kommunikation und das ernsthafte Interesse an der Familiengeschichte gelang es mir, Brücken zu bauen – zwischen Tradition und notwendigem Wandel. Das Ergebnis: Innerhalb von neun Monaten waren Prozesse neu strukturiert, das Reporting professionalisiert – ohne Werteverlust.

Erkenntnis:
Externe können sehr wohl integrierend wirken – wenn sie die emotionale Logik der Familie verstehen und respektieren.

Instrument:
Cultural Onboarding & Shadowing – Statt schneller operativer Eingriffe braucht es zu Beginn eine Phase des Zuhörens: Interviews mit Familienmitgliedern, Shadowing der Führungskräfte, Reflexion der impliziten Werte. Erst dann sollte der externe Manager eingreifen – mit Maß und Augenhöhe.

4. Missverständnis: „Wir transformieren, sobald es notwendig ist“

Beispiel aus der Praxis:
Ein traditionsreicher Großhändler im ländlichen Raum hatte über Jahrzehnte erfolgreich gewirtschaftet. Digitalisierung? „Kommt bei uns nicht an.“ Erst als der wichtigste Kunde absprang, wurde ich als Berater hinzugezogen. Das Unternehmen verlor fast zwei Jahre im Reaktionsmodus, obwohl die Signale früh da waren. Am Ende kostete die verspätete Transformation Marktanteile, Personal und Reputation.

Erkenntnis:
Wer nur reagiert, wird überholt. Proaktive Transformation ist ein Wettbewerbsfaktor.

Instrument:
Frühwarnsysteme und Transformations-Radar – Entwickeln Sie ein System zur kontinuierlichen Umfeldanalyse: Was tut sich bei Kunden, Wettbewerbern, in der Technologie? Ergänzen Sie klassische SWOT-Analysen um Frühindikatoren und leiten Sie daraus Transformationsinitiativen ab.

5. Missverständnis: Kultur ist ein weiches Thema – Zahlen sind entscheidend

Beispiel aus der Praxis:
In einem Beratungsmandat scheiterte der Aufbau eines neuen Vertriebsmodells trotz perfekter Zahlenbasis. Warum? Die Vertriebsleitung fühlte sich übergangen, die Belegschaft hatte Angst vor Machtverlust. Das Missverständnis: Kultur wurde als “Begleitmusik” betrachtet – und nicht als erfolgskritischer Hebel.

Erkenntnis:
Transformation scheitert nicht an KPIs – sondern an unausgesprochenen Ängsten, fehlender Einbindung und mangelnder kultureller Übersetzung.

Instrument:
Cultural Due Diligence & Change Impact Assessment – Vor jeder Veränderung sollte analysiert werden: Welche kulturellen Widerstände gibt es? Welche Narrative dominieren das Unternehmen? Welche impliziten Regeln müssen adressiert werden? Change beginnt im Kopf – nicht in der Excel-Tabelle.

6. Missverständnis: Wir brauchen vor allem eine neue Strategie

Beispiel aus der Praxis:
Ein CEO wollte das Unternehmen auf Digitalisierung trimmen – die Strategie war durchdacht, das Slide Deck überzeugend. Doch im Alltag änderte sich wenig. Die Führungskräfte blieben im alten Denken, Mitarbeitende waren orientierungslos. Erst ein begleiteter Führungsentwicklungsprozess, gekoppelt mit einer klaren Umsetzungsarchitektur, brachte Bewegung in die Organisation.

Erkenntnis:
Strategie ist wichtig – aber ohne Umsetzungskraft und Führung keine Wirkung.

Instrument:
Strategie-Realiserungs-Modell (SRM) – Verknüpfen Sie strategische Ziele mit konkreten Projekten, Verantwortlichkeiten und messbaren Ergebnissen. Implementieren Sie ein regelmäßiges Review-System – mit klarer Führungseinbindung.

7. Missverständnis: Nachfolge und Transformation sind zwei getrennte Prozesse

Beispiel aus Forschung & Praxis:
In meiner DBA-Forschung an der Henley Business School untersuchte ich den Einfluss externer Nachfolger auf Transformationsprozesse in deutschen Familienunternehmen. Das zentrale Ergebnis: Nachfolge ist häufig der Auslöser für tiefgreifenden Wandel – oder dessen größtes Hindernis. In einem Fall scheiterte die Transformation, weil der Nachfolger lediglich als “Verwalter” eingesetzt wurde – ohne Mandat, ohne Gestaltungsfreiheit.

Erkenntnis:
Nachfolge ist kein Verwaltungsakt, sondern der Startpunkt für strategische Neuausrichtung – wenn man es richtig angeht.

Instrument:
Nachfolge als Transformationschance strukturieren – Nutzen Sie den Führungswechsel als Gelegenheit, Vision und Geschäftsmodell zu hinterfragen. Schaffen Sie ein 100-Tage-Programm für Nachfolger mit klaren Zielen, Kommunikationslinien und einer Feedbackschleife mit Gesellschaftern und Beirat.

Fazit: Transformation braucht Haltung, Struktur und den Mut zur Selbstreflexion

Familienunternehmen verfügen über gewaltige Stärken: Langfristigkeit, unternehmerische DNA, Loyalität. Doch diese Stärken werden zu Schwächen, wenn sie Transformation verhindern.

Wer Transformation in Familienunternehmen gestalten will, braucht mehr als Tools: Es braucht ein tiefes Verständnis für familiendynamische Systeme, eine kluge Verzahnung von Strategie und Kultur – und den Willen, alte Pfade zu verlassen.

Mein Angebot:
Als Berater, Interimsmanager und Forscher helfe ich dabei, Transformation so zu gestalten, dass sie zur DNA des Unternehmens passt – und nicht gegen sie arbeitet. Dabei bringe ich wissenschaftliche Fundierung, unternehmerische Erfahrung und ein pragmatisches Gespür für Menschen zusammen.

Besuchen Sie www.christian-neusser.de, um mehr über meine Arbeit, Vorträge und Beratungsangebote zu erfahren – oder kontaktieren Sie mich für ein erstes Gespräch.


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