Krisenmanagement in Familienunternehmen | Christian Neusser

Lesedauer 10 Minuten:

Die Corona-Pandemie hat dem Krisenmanagement eine ganz neue Bedeutung gegeben. Weltweit wurde das öffentliche Leben zeitweise im Zuge der Lockdowns heruntergefahren und dadurch die Freiheit der Menschen zeitweise stark eingeschränkt. Aber gab es jemanden in der freien Wirtschaft, der ein solches Szenario in seinem Krisenmanagement vorgesehen hat? – Eher nicht!

Insofern ist die Corona-Krise zweifelsfrei eine weltweite Krise, deren Auswirkungen wir vermutlich noch in den nächsten Jahren spüren werden. Gleichermaßen lehrt sie jeden Unternehmer aber ebenso derartige Situationen in sein Krisenmanagement mit aufzunehmen.

Welche Möglichkeiten gibt es für jeden einzelnen, auf derartige Krisen zu reagieren?

Die Zeit seit März 2020 zeigt sehr deutlich, dass auch die Politik auf solche Maßnahmen nicht wirklich vorbereitet war. Gleichzeitig wurde im Zuge der Diskussion aber auch zügig über Sofort-Maßnahmen für betroffene Unternehmer diskutiert, die letztlich auch in einer vergleichsweise unbürokratischen und vor allem zeitnahe finanziellen Hilfestellung mündeten.

Zwar ist heute nicht absehbar, ob und wann die Krise endet und ob es jemals erneut einen solchen Vorfall geben wird. Dennoch ist hier entsprechend im Krisenmanagement ein Leitfaden vorzusehen, der dieses Szenario möglichst breit abdeckt.

Staatliche Hilfe in der Corona-Wirtschaftskrise

In ganz Europa wurden für die Unternehmen sehr kurzfristig Lösungen geschaffen, um die finanziellen Engpässe zu überbrücken. Ob diese richtig dimensioniert sind oder andere Modalitäten passen, gilt es künftig in der Politik zu diskutieren. Fakt ist, und das ist wichtig für Unternehmer, es gibt staatliche Hilfe. Dabei bilden die aktuell schnell zusammengeschusterten Beschlüsse die einzige valide Grundlage, auf die im Krisenmanagement verwiesen werden kann.

Dabei gilt es zwischen direkten und indirekten Zahlungen zu unterscheiden. Die Hilfszahlung an Unternehmen war eine direkte Zahlung, die auf Antrag und unter Vorlage verschiedener Unterlagen vorgenommen wurde. Sie ist bis dato allerdings einmalig und vom Umfang her überschaubar.

Unter indirekten Zahlungen ist vor allem das Kurzarbeitergeld zu nennen. Wer nachweislich nicht mehr ausreichend Arbeit aufgrund der Situation hat, um die eigenen Mitarbeiter zu beschäftigen, kann die sogenannte „Kurzarbeit“ anmelden. In einem solchen Fall übernimmt der Staat auf Basis verschiedener Stammdaten bis zu 87 % des Nettoentgelts der betroffenen Mitarbeiter. Damit wird das Unternehmen entlastet, gleichzeitig aber auch eine entsprechende Unterstützung für den Mitarbeiter gezahlt.

Ferner senkte die Bundesregierung per Beschluss für einen befristeten Zeitraum die Mehrwertsteuer. Diese Maßnahme sollte dazu dienen, die Nachfrage mindestens anzukurbeln und tendenziell auch noch zu erhöhen. Die Idee dahinter ist wirtschaftlich nachvollziehbar, wenngleich die angedachten Einsparungen vergleichsweise gering sind. Das Beispiel zeigt aber, dass in Krisen über die üblichen Möglichkeiten hinaus versucht wird, zielorientierte Maßnahmen zu verabschieden, die die Nachfrage möglichst hochhält.

Zu guter Letzt wurde auch die Insolvenzantragsfrist zumindest zeitweise ausgesetzt. Inwieweit das im Nachhinein zu Herausforderungen mit sogenannten Zombieunternehmen führen wird, bleibt abzuwarten.

Steuerungselemente im eigenen Unternehmen

Neben der staatlichen Hilfe, die im Rahmen des Krisenmanagements zwar Berücksichtigung finden, aber nicht übergewichtet werden sollten, gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten im eigenen Unternehmen zu reagieren. Dazu ist aber zuerst aber essenziell bewerten zu können, wo das Unternehmen in der Krise steht und welche Bereiche einem erhöhten Risiko ausgesetzt oder vielleicht auch schon betroffen sind. Neben einer Bestandsaufnahme gilt es dann jedoch entsprechend schnell in den Arbeitsmodus zu schalten und probate Alternativen zu finden. In der Corona-Krise war die Alternative vor allem die Remote-Arbeit und das Verlagern des eigenen Business ins Internet. Die Erkenntnis zeigt, in welch unterschiedliche Richtungen gedacht werden muss – sie gewährleistet allerdings, dass die nächste Krise mit den gleichen Lösungsmöglichkeiten bezwungen werden kann.

Wer weiß, wo er steht, hat eine Idee davon, wo er anfangen muss. Mithilfe der relevanten Unternehmenszahlen lässt sich zudem eine Überschlagsrechnung anstellen, wie weit unter anderem die Liquidität noch reicht. Um diese zu sichern, gilt es Außenstände einzufordern und deren Zahlungswahrscheinlichkeit zu vermerken. Gepaart mit der Erkenntnis über den Fortbestand des operativen Geschäfts, muss entsprechend im Unternehmen angepasst werden. Kurzarbeit, freiwilliger Lohnverzicht als auch Stellenstreichungen sind dabei die relevanten Maßnahmen, sofern notwendig.

Ist die Personalseite so weit wie möglich geklärt, gilt es das operative Geschäft zu sichern. Sofern externe Dienstleister und anderweitige Partner von der Krise stärker betroffen sind, gilt es hier alternative Szenarien zur Aufrechterhaltung des eigenen Geschäfts zu erörtern. Wichtig ist hier, dass die Lösung aus dem Unternehmensinneren nach außen erfolgt, damit eine klare Faktenlage als Entscheidungsgrundlage dienen kann.

Die Flucht nach vorne

Jedes Unternehmen sollte eine Vision für den Zeitraum der nächsten fünf bis zehn Jahre haben. Nachdem also die staatlichen Hilfen erörtert und ggf. genutzt wurden als auch das operativen Geschäfts so weit wie möglich gesichert wurde, gilt es nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen, die aus eigener Kraft gestemmt werden können. Hilfreich hierbei ist häufig die eigene Vision, aus der Teile unter Umständen „weitergedacht“ und entwickelt Abhilfe schaffen können.

Unter Umständen lassen sie sich vorziehen und damit heute bereits ein Vorteil generiert werden. In einer Zeit, in der es so sehr auf die Kostenschraube ankommt, kann es mitunter lebensrettend sein, zukünftigen Kosteneinsparpotenziale frühzeitig(er) zu heben. Zudem macht es aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen Sinn, die Vision erneut zu bewerten. Während der Corona-Zeit spielte die Digitalisierung von Büroarbeitsplätzen eine große Rolle, um die Distanz am Arbeitsplatz entsprechend zu ermöglichen.

Was können wir aus der Corona-Zeit für das Krisenmanagement lernen?

Es gibt derzeit vermutlich niemanden, der eine verlässliche Aussage dazu geben kann, wann der Coronavirus besiegt ist. Entsprechend ist die Zeit auch noch keinesfalls vorbei und kann jederzeit wieder ähnlich chaotisch werden wie im März 2020. Dennoch lassen sich bereits jetzt einige Lehren festhalten, die für eine neuerliche Krise oder ein Wiederaufflammen des Coronavirus sehr relevant sein können.

#1 Checken Sie Ihre finanziellen Möglichkeiten

Wer erst recherchiert, wenn er bis zu den Hüften im Dreck steckt, vermag nicht mit freiem Kopf zu entscheiden. Insofern sollte vorab eine Klärung stattfinden, welche staatlichen Hilfen auf Basis der Gesetze in Anspruch genommen werden können und welche Voraussetzungen dazu zu erfüllen sind.

Ferner gilt es das Reporting so anzupassen, dass ohne großen Aufwand eine genaue Lage der Cash Bestände und Außenstände eingesehen werden kann. Mit dieser Hilfe kann bewertet werden, wie eng oder entspannt es um das eigene Unternehmen steht.

Abseits der staatlichen und wirtschaftlichen Möglichkeiten gilt es interne Maßnahmen zu kennen. Der freiwillige Gehaltsverzicht oder das Einfrieren von Prämien sollten dabei sowohl beleuchtet werden als auch deren Auswirkung in finanzieller Hinsicht bewertbar sein.

#2 Bewerten Sie die Anfälligkeit der eigenen Supply Chain

In Zeiten der Globalisierung sind viele Unternehmen auf die Zuarbeit von externen Partnern angewiesen.  Hier gilt es zu bewerten, welche Alternativen nutzbar gemacht werden können, sofern ein Partner in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und nicht mehr liefern kann.

Ferner gilt es, die eigene Mannschaft so digital wie möglich aufzustellen. Das Home-Office, Remote-Meetings und Telefonweiterleitungen sollten keine Fremdwörter sein und im Handumdrehen zur Verfügung stehen.

#3 Nehmen Sie die Mannschaft mit

Krisen lassen sich mit einer starken, aber transparenter Führung sowie der Schwarmintelligenz der Mannschaft bewältigen. Insofern steht die Kommunikation an der ersten öffentlichen Stelle. Hier gilt es dem Team reinen Wein über die Situation einzuschenken und so Ängste zu nehmen. Gerade jetzt kommt es auf die Arbeitsleistung und die Loyalität des Teams an.

Gehen Sie als leuchtendes Beispiel voran. Wer Mehrarbeit fordert oder Gehaltsverzicht anregt, sollte jeweils der Erste sein, der dies umsetzt. Auf diese Weise wird jegliche Tuschelei direkt im Keim erstickt und die Erfolgsaussichten, dass weitere Teammitglieder mitmachen ist deutlich höher.

#4 Sorgen Sie für eine klare Berichtskette

Der Notfall-Koffer im Krisenmanagement sollte jedem bekannt sein. Um die Krise erfolgreich zu bestehen, gilt es dieses Krisenmanagement bis in die untersten Positionen weiterzudenken. Eine Corona-Infektion und anschließende Quarantäne zeigen sehr deutlich, wie schnell Engpässe entstehen können.

Sorgen Sie hier ganzheitlich vor und übertragen Sie den entsprechenden Personen ihre Verantwortungsbereiche inklusive der Anleitung, wie im „Krisenfall“ in dem Bereich zu agieren ist. Neben der Absicherung des operativen Geschäfts übertragen Sie zudem entsprechende Verantwortung an Personen, die sich so stärker an das Unternehme gebunden fühlen.

#5 Jede Krise birgt eine Vielzahl von Chancen

Der Eintritt eines Lockdowns oder generell einer Krise lässt jeden Menschen kurz den Atem anhalten. Aber schon kurz darauf sollten Sie nach der Bearbeitung der vorgenannten Punkte dafür nutzen, die Chance zu suchen. Während wir vor Corona politische Debatten und Gesetzesentwürfe zu einer Mindest-Home-Office-Quote hatten, ging dann im März auf einmal alles rasant. Und dieser Zustand hält bis heute an!

Wenn der Markt und die Wirtschaft zusammenbricht, entstehen immer Hohlräume, die es zu füllen gilt. Wer hier im Rahmen des Krisenmanagements seine Hausaufgaben gemacht hat, kann sich deutlich früher um die Erkennung von Chancen kümmern. Und so kann aus einer Krise auf einmal ein Wirtschaftsboom im eigenen Unternehmen entstehen, der weder geplant noch absehbar war.

Die Corona-Krise zeigt, dass Flexibilität das Mittel der Wahl ist

Die Absicherung des eigenen Unternehmens funktioniert ähnlich wie die eigenen Finanzen im privaten Haushalt. Gerät man hier unverhofft in eine Krise, müssen gleichermaßen kurzfristig Statusmeldungen erfolgen, um die Situation einschätzen zu können. Im unternehmerischen Umfeld sind diese Entscheidungen einfach nur deutlich größer und in der Auswirkung weitreichender.

Eine gut gefüllte Kriegskasse im Unternehmen sorgt rasch für Entspannung bei den Mitarbeitern, wenngleich es die Situation dennoch zu bewerten gilt. Brechen Aufträge weg oder werden in die Zukunft geschoben, lassen sich interne Projekte vorantreiben und die Zeit auf diese Weise produktiv überbrücken. Gleiches gilt für die Zusammenarbeit mit externen Partnern.

Krisenmanagement beschäftigt sich zuerst mit der Absicherung des eigenen Überlebens, anschließend der Sicherung der wirtschaftlichen Zukunft und dann bereits damit, die Chancen einer Krise finden und nutzen zu können. Wer hier gut aufgestellt ist, wird unweigerlich als Gewinner aus jeder Krise hervorgehen.


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